Bibliothek des Jahres 2007
Die Bücherei ist so alt wie die Anstalt, ihre Geschichte spiegelt den jeweiligen Zeitgeist seit 1853. Sie wurde ursprünglich im 19. Jh. von den Seelsorgern und im 20 Jh. bis in die 80ger Jahre von Lehrern zur „geistigen und seelischen Hebung“ der Gefangenen geleitet. 1988 wurde die Funktion des Büchereibetreuers neu eingeführt und damit zunächst ein Bediensteter des Allgemeinen Vollzugs­dienstes, dann eine Bedienstete der Verwaltung beauftragt.

Im Jahre 2003 wurde die Fachstelle Gefangenenbüchereiwesen vom Landesjustizvollzugsamt Nordrhein-Westfalen an die JVA Münster verlagert. Nach einem Raumentwurf des Architekturbüros Bolles+Wilson und dem Konzept der dreigeteilten Bibliothek der Stadtbibliothek Münster (Nah-, Mittel- und Fernbereich) sowie in Unterstützung von über 100 Spendern wurde am Gedenktag für verfolgte Schriftsteller, dem 15. November 2005 die Bücherei der JVA Münster nach gelungener Kernsanierung neu eröffnet. Am 24. Oktober 2007, den Tag der Bibliotheken, erhielt die Gefangenenbücherei der JVA Münster den Deutschen Bibliothekspreis als „Bibliothek des Jahres 2007“ in einer Feierstunde in der JVA Münster verliehen.

Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt. J. L. Borges

Die Gefangenenbücherei wird von rund 80% der Insassen genutzt und zeichnet sich somit durch eine sehr hohe Benutzerquote aus. Dabei hat sich die seit vielen Jahren praktizierte Freihandausleihe zu regelmäßigen Öffnungszeiten je Abteilung bewährt. Die Ausleihe wird in Kleingruppen unter Aufsicht von Bediensteten durchgeführt Seit 2013 steht ein Lese- und Entspannungsraum zur Verfügung, wo auf einem Stand-alone-PC offline begrenzt recherchiert und an vier Hörstationen Musik oder Literatur gehört werden kann.

Das Büchereiangebot dient der sinnvollen Freizeitbeschäftigung für die Inhaftierten und kann von ihnen zur Unterhaltung, Weiterbildung und Selbsterfahrung genutzt werden. Angesichts der begrenzten Haushaltsmittel können die möglichen Neubeschaffungen den Bedarf nicht decken.

Bestand der Gefangenenbücherei - Stand: November 2011

MedienartAnzahl
Unterhaltungsliteratur 3200
Sachliteratur 3000
fremdsprachige Literatur in 31 Sprachen 2200
Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements 10
audiovisuelle Medien 1100
Gesamtbestand 9500

Dieses enspricht 18 Medieneinheiten je Haftplatz.
Die bibliothekarische Datenverarbeitung erfolgt seit 2014 mittels der professionellen Bibliothekssoftware BibliothecaPlus. Sie wird von den in der Bücherei arbeitenden Gefangenen bedient und seit 2014 sukzessive landesweit in allen Büchereien im Justizvollzug und Jugendarrest in Nordrhein-Westfalen eingeführt.
Zu bestimmten Anlässen werden Autorenlesungen oder andere literarische Veranstaltungen angeboten. Zum Beispiel lasen in Kooperation mit der Stadtbibliothek beiderseits der Mauer 2007 Wolfgang Hohlbein und 2008 Erich Loest oder in Kooperation mit der Kolping-Schule 2009 Jiri Grusa. 2011 las der frühere Insasse der JVAMünster Hermann Wenning aus seinem Buch „Lauf zurück ins Leben“ über seine Drogenabhängigkeit, Kriminalität und Resozialisierung. März 2012 sprach der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler nach kurzer Lesung mit den Insassen und geladenen Gästen über „Schicksal Afrika“. Seit 2015 finden unter dem Motto „Literatur im Kerker“ in Kooperation mit dem Schriftstellerverband Münsterland Autorenlesungen statt.
Die mit dem Preisgeld der Bibliothek des Jahres 2007 geförderten Projekte – u.a. der Lese- und Entspannungsraum, eine internationale Tagung über Gefangenenbüchereien, die Ausstellung „Lesen verbindet – Alphabetisierung als Menschenreicht“, das Fachbuch „Bücher öffnen Welten. Medienangebote für Menschen in Haft in Deutschland und international“ (de Gruyter 2013) – wurden Ende 2013 in einer Veranstaltung mit der ZEIT-Stiftung und dem Deutschen Bibliotheksverband vorgestellt.

Ihr Ansprechpartner: Gerhard Peschers

Telefon : 0251 2374-116

Weitere Informationen zur Gefangenenbücherei: